09/2020 Große Aufregung, ein Eis am Stiel, der aufdringliche Geruch des Wildtierhauses, pinke Flamingos und lebhafte Erdmännchen: Ein Zoobesuch gehört wohl zu den typischsten Kindheitserinnerungen nahezu aller westlich sozialisierten Kinder. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier ist von früher Kindheit an von tiefer Faszination und Neugier geprägt. Der Zoo ermöglicht uns, über den urbanen Tellerrand hinaus- und in andere Lebensräume hinein zu blicken. Dabei lernen wir nicht nur etwas über die Tiere selbst, sondern auch über die fragilen Ökosysteme, in denen sie sich bewegen. Um diese Erfahrungen sowohl für die Menschen als auch für die Tiere so authentisch wie möglich zu gestalten, wurden die Gehege der Zootiere in den vergangenen Jahren zunehmend den ursprünglichen Habitaten ihrer Bewohner nachempfunden. An dieser Idee orientiert sich auch der Entwurf für den Neubau des Orang-Utan-Hauses im Zoo Dresden, für den Heinle, Wischer und Partner in den vergangenen 15 Jahren bereits sechs verschiedene Gebäude und Anlagen konzipiert haben.
1Giraffen- und Zebraanlage2007 – 2008
2Futtermeisterei und Heuscheune2007 – 2008
3Kattaaffenanlage mit Besucherinsel2008 – 2009
4Surikatenanlage2011 – 2013
5Pinguincafé2015 – 2018
6Flamingoanlage2019 – 2020
7Orang-Utan-Haus2019 – 2024
Alle Projekte in Zusammenarbeit mitRehwaldt Landschaftsarchitekten, Dresden
»In Zooanlagen geht es immer darum, möglichst natürliche Metaphern für die ursprünglichen Lebensräume der Tiere zu entwickeln.«
Jens Krauße, Architekt
Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten
Kontext
In ihren Herkunftsgebieten, den tropischen Regenwäldern Südostasiens, bewegen sich die Orang-Utans entlang der Baumkronen und sind nur in seltenen Fällen auf dem Boden anzutreffen. Dementsprechend wichtig ist die vertikale Gestaltung des neuen Orang-Utan-Hauses, dessen Entwurf eine Höhe von insgesamt zehn Metern auf einer Grundfläche von 950 Quadratmetern im Außengehege vorsieht. Die darin installierten Netzkonstruktionen bieten den Orang-Utans eine an den Urwald angelehnte Kletterstruktur. Eine weitere Annäherung an den natürlichen Lebensraum der Orang-Utans bildet die Umschließung des Außengeheges mit einem kreisförmigen Mantelbau, der die eher zurückgezogen lebenden Tiere sowohl vor Lärm als auch vor Wind schützen soll.
Querschnitt des Orang-Utan-Hauses mit innerer Außenanlage und umschließendem Rundbau
»Die uns zur Verfügung stehende Fläche für den Neubau des Orang-Utan-Hauses wird von dem von Peter Joseph Lenné gestalteten Rundweg durchkreuzt. Daraus entstand die Idee, das Haus auf den Weg zu setzen und die Außenanlagen ins Innere des Gebäudes zu verlegen. Der Rundweg des Zoos führt nun als ›Dschungelpfad‹ durch den Rundbau hindurch.«
Jens Krauße, Architekt
Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten
Konzept
Der ungewöhnliche Entwurf für den Neubau des Orang-Utan-Hauses reagiert mit seiner Umkehrung von Innen- und Außenflächen auf den Imperativ des denkmalgeschützten Lennéschen Rundwegs, der durch das gesamte Zoogelände führt und weder unterbrochen noch umgeleitet werden darf. Das Gebäude nimmt diesen Rundweg in sich auf und erweitert ihn um einen weiteren Pfad, der sich um den westlichen Teil des Außengeheges legt. Das neue Habitat der Orang-Utans wird so von einem offen gestalteten Besucherraum umschlossen, der sich ringförmig um das Außengehege legt. Das Raumprogramm des Neubaus beinhaltet außerdem Gehege und Terrarien für andere in Südostasien beheimateten Arten, so dass Besucher einen komplexen Einblick in die Fauna eines tropischen Regenwaldes erhalten.
Modelle des Orang-Utan-Hauses mit unterschiedlichen Raumkonzepten